„Mythos 2.0“

Arno Neumann, Märkische Allgemeine vom 6.11.2010

POTSDAM / BERLINER VORSTADT – Man könnte annehmen, es sind Auftragsarbeiten, so perfekt passen die Arbeiten von Julia Theek in die dezent gestylte Atmosphäre der Geschäftsräume des Sparkasseninstituts in der Berliner Straße. Perfekt ist Julia Theeks Technik, mit der sie ihre Motive Bild werden lässt. Es ist eine aufwendige Schablonentechnik auf der Grundlage von Airbrush, einem Farbsprühverfahren. Doch ihre Technik ist nicht Selbstzweck, sondern bringt präzis inhaltliche Absichten zur Wirkung – hintergründig, intellektuell geschliffen, mit emotional brennender Kühle. Widersprüche finden künstlerische Form.
Im „Militärwaisenhaus“ wird in geradezu genüsslich akribischer Erfassung eines Fassadenausschnittes die Szenerie durch die Farbigkeit in ein geheimnisvoll bedrohliches Licht getaucht. Da findet Geschichte dieses Hauses zur Farbe. Silbrig getönt schwebt davor die mythologische Figur einer der unverkennbar Potsdamer Skulpturen. Ist es Caritas oder sollte es Minerva vom Potsdamer Stadtschloss sein, für deren Restaurierung Julia Theek 2007 eine Kunstaktion startete?
Hirsche waren und sind ein beliebtes Motiv zweifelhafter Salonmalerei. Julia Theek kann es dennoch wagen, Hirsche ins Bild zu bringen. Aber was sind das für prächtige, Bildform gewordene Geschöpfe in ihrer Arbeit „Berliner Romantik“, die ein etwas mickriger Fürst Pückler da zu bändigen versucht! Skulpturen in Hell und Dunkel begegnen sich auf dem Bild „Berlin“, übermächtig groß, schwarz und bedrohlich herabkippend das Eiserne Kreuz im Lorbeerkranz mit dem sich hoch reckenden Adler von der Quadriga auf dem Berliner Brandenburger Tor.
Immer wieder werden Skulpturen in malerischer Metamophose zu Akteuren der Bilder. Sie gewinnen dabei ein ganz eigenwilliges Kunst-Leben. Dass aber Leben noch etwas anderes ist, zeigt Julia Theek mit heiterer Pointe in ihrem „Frühling in Sanssouci“.
Fasziniert von der farbigen Virtuosität ihrer Bilder wird das Auge immer wieder auf das Material gelenkt, mit dem die Wirkungen erreicht werden. Da werden Lacke auf Leinwand, auf Stahl, Kupfer, Messing oder Aluminium aufgetragen und ungeahnte Farbwirkungen erzielt.
Etwas durchaus ganz Besonderes in ihrer künstlerischen Gestalt sind die, allerdings nur wenigen Skulpturen von Julia Theek – ein Kontrast zur barocken Figurenszenerie in ihren Bildern. Herausragend der „Kriegsgott“, ein Opfer seiner selbst, schlichtweg ein Meisterstück in der das Wesen der Sache offenbarenden Reduktion der Form.

Berliner Straße 52, bis Februar 2011,
Mo.–Fr. 8–12 Uhr, 14–17 Uhr

Dandy“ ­ Nick Cave als Fürst Pückler
Mischtechnik, 108 x 164 cm, 2010

Demontage“ ­ Palast der Republik
Mischtechnik, 85 x 115 cm, 2007

Kriegsgott
Alabaster und Stahl, 30 x 40 cm,  2007

„Mythos 2.0“ Ausstellungssitiation